Predigten

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Gottesdienst am 05.09.2021

Ökumenischer Tag der Schöpfung

Liebe Gemeinde!

Spätestens in diesem Sommer wird wohl es auch der Letzte bemerkt haben: Die Klimaveränderung auf unserem Planeten ist in bedrohlicher Weise im Gange. „Hochwasser, Hurrikane, Hungersnöte“, so betitelte die HZ ihren Leitartikel am Donnerstag.

In Überlingen am Bodensee wurde gestern der ökumenische Tag der Schöpfung gefeiert. Orthodoxe, Katholische und Evangelische Christen haben Gottes

wunderbare Schöpfung miteinander gefeiert, sie haben aber auch auf ihre vielfältige Bedrohtheit hingewiesen und Gott um Beistand und Hilfe gebeten.

 

Auch in den Erzählungen der Bibel kommt das Thema „Hitze“ und „Wasser“ vor.

In anderen Zusammenhängen zwar als bei uns heute.

Aber in der lebensfeindlichen Wüste war und ist das Wasser immer knapp und kostbar gewesen.

In Israel gab es zur Zeit Jesu ein Fest, an dem in einer ganz besonderen Weise für das Wasser gedankt und auch um das Wasser gebetet wurde, nämlich das Laubhüttenfest.

Zu diesem fröhlichen Fest pilgerten die Menschen hinauf nach Jerusalem. Man feierte im Tempel und in den „Sukkulot“, den Laubhütten. Sie sollten an die Wüstenwanderung erinnern, an die Zeit, in der Israel ganz besonders auf Gottes Beistand angewiesen war.

Die Dächer dieser Hütten sind so luftig, dass sie noch den freien Blick zum Himmel zulassen.

Paul Spiegel, der 2006 verstorbene Präsident des Zentralrats der Juden, schrieb über dieses Fest:

„Das Leben ist wie die Sukka. Der Schutz, den eine Hütte bietet, ist relativ. So ist das Leben. Ohne Gott gibt es kein Vertrauen. Man kann sich nur auf den Einen und einzigen verlassen, man kann nur ihm vertrauen.“

Der achte Tag des Laubhüttenfestes ist ein eigenes Fest. An ihm wird nach langer Trockenperiode, der Jahreszeit entsprechend, um Regen gebetet. In Palästina beginnt im Spätherbst die Regenzeit. Die Niederschläge, die von dieser Zeit an fallen, sind für das Gedeihen der Feldfrüchte entscheidend.

So, wie es bei uns der Regen im Frühjahr ist.

Im Tempel gab es zur Zeit Jesu eine entsprechende Zeremonie. Bei Tagesanbruch füllten Priester eine goldene Kanne mit Wasser aus der Siloah–Quelle. Wenn die Wasserprozession an einem bestimmten Punkt angekommen war, stießen drei andere Priester dreimal in die Trompete. In Erinnerung an das Wort vom Propheten Jesaja: „Ihr werdet Wasser schöpfen mit Frohlocken.“

Ein extra dafür ausgeloster Priester brachte dann ein Trankopfer und eine Wasserspende dar.

Hierfür standen auf dem Altar zwei silberne Schalen bereit.

In die wurde das geschöpfte Quellwasser gegossen.

Beide Schalen hatten eine Öffnung, durch die das Wasser auf den Grund des Altars floss und von dort unterirdisch weitergeleitet wurde.

Dieses feierliche Wasseropfer wurde jeden Tag während des 7-tägigen Festes vollzogen.

Es sollt dazu beitragen, dass die erwarteten Regenflüsse gesegnet würden.

Gleichzeitig hatte man Prophetenworte im Blick, die von einem ganz besonderen Wasser in der kommenden Heilszeit sprachen. Dieses Wasser, das aus dem Tempel Gottes strömen würde, sollte den Menschen dauerhaft Gesundheit und Fruchtbarkeit schenken.

Wir müssen uns also diese Szene vorstellen: Am letzten Tag des Laubhüttenfestes ist eine große Pilgerschar im Tempel versammelt. Die Menschen erleben den Höhepunkt des Fests, die feierlichen Wasserdarbringungen der Priester.

An dieser Stelle setzt unser Predigttext ein, der Text, der auch in Überlingen gestern im Mittelpunkt stand.

Jesus ist mit seinen Jüngern laut dem Johannesevangelium zum Laubhüttenfest gereist.

Ich lese aus Johannes 7, 37-39.

 

Mitten im Festgetümmel rund um den Tempel stellt Jesus sich hin und behauptet etwas ziemlich Provozierendes.

Den Menschen, die voller Ehrfurcht dem heiligen Ritus zuschauen, ruft er zu:

„Ich selbst bin die Quelle des lebendigen Wassers!“

Wer an ihn glaubt, so sagt er, der wird vergleichbar sein mit den silbernen Schalen auf dem Altar, aus denen Leben spendendes Wasser fließt.

Wasser, das zum Segen für andere wird.

Ich finde diese Vorstellung von den silbernen Schalen sehr schön, weil sie deutlich macht, was Jesus meint:

Die Schalen gehören zum Tempel. Nach jüdischer Vorstellung sind sie Eigentum des Höchsten, Eigentum Gottes.

Als Inventar seines Tempels sind sie heilig.

Wenn wir, wie Jesus das möchte, dieses Bild auf uns übertragen, dann heißt das:

Als silberne Schalen im Tempel gehören wir Gott, sind wir Teil seines Hauses.

Das bedeutet, dass wir kostbar sind. Das Bild erlaubt uns eigentlich überhaupt nicht, dass wir, wie wir es so häufig tun, gering von uns selbst denken. Sondern als „Tempelinventar“ Gottes hat jeder von uns einen ganz hohen Wert. Einen Wert, den Gott definiert, nicht wir Menschen. Einen Wert, der natürlich auch Verpflichtungen mit sich bringt im Umgang mit uns selbst und im Umgang mit anderen. Mit etwas Wertvollem will sorgfältig umgegangen sein!

Die Schalen auf dem Altar sind Gefäße. Sie sind wertvoll und schön anzusehen, aber letztlich erfüllen sie ihren Zweck nur dann, wenn sie gefüllt werden.

Eine leere Schale ist nichts als Dekoration. Schön vielleicht, aber zu nichts nütze.

Eine Schale kann gefüllt werden, sie will gefüllt werden.

Sehen sie diese Schalen hier?

Diese hier ist im Sommer immer mit Wasser gefüllt. Sie dient als Vogeltränke.

Sie hilft, Durst zu stillen, den Durst anderer Kinder der Schöpfung.

Diese enthält das Obst, das wir täglich essen. Ein Gefäß gegen den Hunger.

Und hier ist unsere Taufschale, die gleich nachher wieder gebraucht werden wird.

Es ist für die Bedeutung einer Schale ganz wesentlich, was man in sie hineinfüllt.

Jesus spricht von Lebendigem Wasser.

Jesus lädt uns ein, uns von ihm mit seinem lebendigen Geist füllen zu lassen.

Und noch etwas ganz Entscheidendes:

Er will uns nicht mit etwas Wunderbarem erfüllen, damit wir es horten und für uns behalten.

Stellen Sie sich noch einmal die silbernen Schalen auf dem Altar im Tempel vor: Sie hatten Löcher, damit das Wasser aus ihnen weiterfließen konnte, um an anderer Stelle Fruchtbarkeit zu spenden.

Eine Schale, in der das Wasser nur stehen bleibt, wird irgendwann algig. Und das Wasser selbst wird für uns untrinkbar.

Jesus will, dass wir das weitergeben, was wir von ihm an Gutem empfangen. Ströme lebendigen Wassers sollen von uns ausgehen. Ich finde, das ist ein wunderbares Bild.

Was könnte das also für uns bedeuten?

Gott hat uns dazu bestimmt, von ihm zu empfangen und weiterzugeben. Durch Jesus Christus haben wir Zugang zur Quelle allen Lebens, zur Quelle der Liebe, der Kraft, der Hoffnung.

In dieser Zeit, in der wir Menschen Gottes wunderbare Schöpfung in höchstem Maße gefährden, spricht er zu uns durch Jesus Christus und sagt: „Öffnet euch für mich. Lasst euch durch mich füllen mit dem, was heilt und guttut, zunächst euch, aber durch euch euren Nächsten, eurer Umgebung und schließlich der ganzen Schöpfung.“

„Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.“

Das soll in dieser Zeit unsere Hoffnung sein!

Amen

 „Geh aus, mein Herz“ EG 503, 1+13-15